Texte und Zeitungsartikel zu den Ausstellungen

9.10.99 18:18

Katalogtext zur Ausstellung im Stadtmuseum 1999

Kategorie: Texte
Fleyer

Fleyer zur Ausstellung im Stadtmuseum 1999

Nun ja - wenn man seine Jahresringe zählt, kommt das Alter eines mittelständigen Baumes heraus. Auch wenn die Wetterseite schon leicht meliert ist, tut das seiner künstlerischen Unrast keinen Abbruch.

 

Bock ist ein Sonntagsmaler ohne Lobby, ein Nobody, der in nahezu verantwortungsloser Weise Jahrzehnte vor sich hingewerkelt hat.

 

Dies ist seine erste offizielle Ausstellung! Gemeinsam mit zwei namhaften Dresdner Künstlern im Stadtmuseum Dresden. Collagen, Frottagen, Assemblagen, Prägedrucke, Schrottplastiken (seit 1968), Masken in Holz, Metall und Stein, immer wieder Kalenderblätter in den verschiedensten Techniken, Hinterglasmalerei, Tafelbilder - richtig ordentlich mit Pinsel und Ölfarbe gemalt und zwischendurch, oder aber auch hauptsächlich, Lyrik und Geschichten, für die sich ebenfalls kaum einer interessiert. Nagelbilder und Papierfaltblätter neben obskuren Gebilden mit technischen Details, so genannten Naviazen, komplettieren das ganze Chaos. Erstaunlich und beängstigend sind die Sturheit und Ausdauer mit welcher Bock an seinen Niederlagen und manchmal auch kleinen Erfolgen arbeitet. Seine Fähigkeit, alles für seine Zwecke umfunktionieren zu können, entspricht unleugbar der Mentalität eines gelernten DDR-Bürgers. Allem, was er in die Hand nimmt, muss er seinen subjektiven Stempel aufdrücken. Selbst Haus und Garten mutieren zum Gesamtkunstwerk.

 

Zum Glück geht dieser Mensch einer bürgerlichen Beschäftigung noch, weil sonst seine künstlerischen, häufig zu Serien explodierenden Produktionen unstatthafte Ausmaße annehmen würden.

 

Es dürfte schwer sein, Bock in ein Schubfach einzuordnen. Seine Einfalt versucht er krampfhaft hinter Vielfalt zu verstecken. Jahrelang geht er mit irgendwelchen Bildideen schwanger, und trotz seiner pessimistischen Grundhaltung (Pessimist optimistischer Prägung - als da wäre - das Schlechte im Auge, auf das Gute hoffend 1) und der Liquidierung von Bier und Beaujolais sind ihm, meiner Meinung noch, etliche gute Würfe, wie Venedig, Toledo, Turm zu Babel, La Rondell usw., gelungen.

 

Das Anthropomorphe in den Dingen hat für Bock eine magischmystische Wirkung, von weicher er sich lustvoll treiben lässt. Eine Mischung zwischen Größenwahn und Bescheidenheit, Anspruch auf Ernsthaftigkeit gepaart mit einem Touch zum Kitsch und Einzelgängertum machen seine Arbeiten fast populistisch interessant.

 

Man merke auf, selbst ein Mr. Ramsay, seines Zeichens Amerikaner, hat ein Bild von Bock erworben. In Omagh in Irland hängt noch ein gemalter Wandbehang mit Papagei aus seiner nierentischepochialen Schaffensperiode.

 

Der Verdacht liegt nahe, dass dieser Mensch sich und seine Umwelt nicht immer sehr ernst nimmt. Doch wiederum hat man das Gefühl, die Leichtigkeit des Seins bedarf noch eines harten Trainings. Ein Brand im Haus dieses Jahr veränderte ihn und sechs seiner Bilder. Wenn es seine Zeit erlaubt und dank der Mithilfe und grenzenlosen Toleranz seiner lieben Frau, dann zieht er sich auf den Aldebaran zurück, der irgendwo da oben im Sternbild des Stiers sein Dasein fristet. Collagen, Kalenderblätter und seltsame Wesen bringt er von diesen Ausflügen mit.

 

Es ist begrüßenswert, dass diese Ausstellung nicht zu umfangreich ist, weil sich sonst dem Beschauer die verkarsteten Seelentiefen einer gespaltenen Persönlichkeit noch intensiver offenbaren würden.

 

 

B A B